Feinde, Vasallen und Amerikaner
13.09.2008 Süddeutsche Zeitung
Der Satz des US-Diplomaten Kennan, Russlands Nachbarn seien entweder Vasallen oder Feinde, wird derzeit gerne zitiert. Ein Einspruch.
Außenansicht von Jewgenij Grischkowez
Die Behauptung von George Kennan, Russlands Nachbarn seien entweder Vasallen oder Feinde, habe ich mir lange durch den Kopf gehen lassen. Was empört mich eigentlich an dieser Äußerung und warum drängt es mich so, ihr zu widersprechen?
Alles scheint richtig zu sein, kränkend zwar, aber richtig. Man schaut auf die Landkarte und es ist tatsächlich so. Freilich grenzt unser Land auch an China, das uns weder Vasall, noch Feind ist. Freilich befinden wir uns auch gar nicht so weit weg von Indien. Unsere übrige Nachbarschaft indessen ... Warum aber empört mich die Äußerung von Mr. Kennan und warum bin ich dermaßen nicht damit einverstanden? Weil es nicht egal ist, wer so etwas sagt! Wer ist dieser Kennan? Ein Amerikaner!
Amerikaner haben leicht reden über Nachbarn. Sie haben ja praktisch keine. Doch wenn für Russland alle Nachbarn entweder Feinde oder Vasallen sind, dann hat Amerika auf der ganzen Welt nur Nachbarn. Und auch wenn sich irgendein Land mitsamt seinen Einwohnern Amerika gegenüber weder als Feind noch als Vasall fühlen sollte, Amerika hält jedes beliebige Land entweder für das eine oder das andere.
Nur schert sich Amerika nicht um Details nationaler, religiöser oder kultureller Besonderheiten. Amerika und die Amerikaner wollen eigentlich absolut über niemanden außer über sich selbst etwas wissen. Und sie können sich nicht einmal vorstellen, dass es auch ein ganz anderes Bewusstsein und andere Meinungen geben kann.
Worüber hat Mr. Kennan gesprochen? Über etwas, das er selbst im Spiegel gesehen hat. Nur merkt er nicht, dass ihm da sein eigenes Spiegelbild entgegenblickt.
Aber ich will von unserer eigenen Nachbarschaft sprechen. Nur tue ich das nicht aus der Perspektive des russischen Staates, sondern aus meiner eigenen, ganz privaten. Ich bin in Russland geboren und aufgewachsen. Genauer gesagt, in der Sowjetunion. Und jetzt lebe ich in dem Russland, über das Mr. Kennan sich geäußert hat. Ich bin in der Sowjetunion geboren und alle unsere heutigen Nachbarländer sind in meinem geografischen Verständnis Heimat. Alles Territorium der Liebe also.
Lesen Sie auf Seite zwei, über das Benehmen amerikanischer Soldaten in einem georgischen Hotel.
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