воскресенье, 14 сентября 2008 г.

Jewgenij Grischkowez - über die Macht der Medien.

Feinde, Vasallen und Amerikaner - Teil 3


Ich habe auf dem Höhepunkt des georgisch-südossetischen Konflikts sehr viel Zeit am Telefon verbracht. Meine georgischen Freunde und ich haben so viel geredet, und auch dann, wenn wir bei der Einschätzung der Situation nicht derselben Meinung waren, versicherten wir uns immer gegenseitig unserer Liebe und Freundschaft.

Ebenso versuchte ich mit meinen ukrainischen Freunden zu sprechen, die anlässlich der Ereignisse im Kaukasus schrecklich aufgewühlt waren. Wir haben viel geredet und reden weiter darüber. Das kommt bei Vasallen und Feinden nicht vor.

Ich sah mir ununterbrochen Nachrichtensendungen an. Auf russischen Sendern ebenso wie auf CNN und bei der BBC. Die Bilder ähnelten sich auf allen Kanälen. Die Kommentare waren absolut gegensätzlich. Die Wahrheit, die immer in der Mitte liegt, wurde von niemandem berührt. Aber in der Mitte sind wir. Wir - das sind die, die heute in dieser Welt leben. Wir sind immer in der Mitte.

Ein sehr gutes Zeichen

Wissen Sie, was mich sehr gefreut hat an der Art, wie die Informationen von den russischen Fernsehsendern präsentiert wurden? Und das unterschied sich sehr davon, wie der Tschetschenien-Feldzug oder Reportagen über Terroranschläge gezeigt wurden.

In den Berichten über Südossetien wurden überhaupt keine georgischen Soldaten gezeigt, weder getötete, noch gefangene, noch kämpfende. Während auf europäischen und amerikanischen Kanälen viele russische Soldaten gezeigt wurden. In Russland hatte man offenbar beschlossen, kein schreckliches Feindbild aufbauen.

Das ist ein sehr gutes Zeichen. Ich bin nie ein Fan Putins gewesen, auch nicht seines politischen Stils, aber es ist auch sehr wichtig, was er in einem Interview gesagt hat, nämlich dass er die Kriegshandlungen der russischen und georgischen Armee als Bürgerkrieg ansieht. So spricht man nicht über Vasallen und Feinde.

Den Amerikanern, die den Namen Georgien mit dem Namen ihres Staates Georgia verwechseln, haben überhaupt keine Vorstellung davon, wie nahe den Russen dieser Konflikt geht. Und wie nahe er den Georgiern geht. Im Juli saß ich mit einem bekannten georgischen Schriftsteller zusammen, dessen Namen ich hier nicht nennen will. Er ist alt und weise. Er sprach über Saakaschwili, sichtlich bemüht, sich für den Präsidenten seines Landes zu entschuldigen. Er sagte: "Weißt du, Schenja, Saakaschwili ist ein sehr schlecht erzogener Mensch. Aber du musst die Georgier verstehen. Wir sind ein kleines und stolzes Volk. Und wir wollen so gern, dass man über uns spricht, dass man uns wahrnimmt. Saakaschwili hat erreicht, dass man über uns spricht. Wenn auch schlecht, aber dafür jeden Tag."

Der ganze Unterschied

Diese Aussage erklärt vieles. Aber es ist eine Erklärung für diejenigen, die Georgien kennen und es lieben, das heißt für uns, die wir in Russland leben. Denjenigen, die es nicht kennen und die Besonderheiten dieses erstaunlichen Landes nicht verstehen, sagt das nichts. Ich werde niemals glauben, dass die Amerikaner aufrichtig um Georgien besorgt sind. Ich glaube nicht an die Aufrichtigkeit jener Losungen und Aufrufe zur Verteidigung der Demokratie, ich glaube nicht daran, dass die Amerikaner das Wesen des Michail Saakaschwili nicht sehen und verstehen. Und ich glaube nicht, dass die Amerikaner ihn und Georgien als Freund sehen. Für sie ist Georgien kein Feind und kein Vasall, sondern nur eine Karte oder eine Figur in einem Spiel. Eine Spielfigur, in der von lebendigen Menschen, Geschichte, dauerhaften menschlichen Beziehungen nichts zu spüren ist.

Aber irgendwie hat Mr. Kennan etwas gesagt, worüber sich schwerlich streiten lässt. Besonders dann nicht, wenn man auf CNN abonniert ist. Ich kann seine Worte wiederholen, nur auf Amerika gemünzt. Bloß wird mich keiner zitieren. Das ist der ganze Unterschied.

Jewgenij Grischkowez, Jahrgang 1967, ist ein russischer Schriftsteller ("Das Hemd"). Er lebt in Kaliningrad.

Aus dem Russischen übersetzt von Beate Rausch.


13.09.2008 Süddeutsche Zeitung

Комментариев нет: